09.01.2025 Dr. Reinhard Kaufmann
Faszinierende Stätten islamischer Architektur –
von Samarkand bis Granada
Dieser Vortrag musste witterungsbedingt ausfallen und wird zu einem späteren Zeitpunkt erneut angeboten.
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16.01.2025 Jana Schreiber
Die Wiedemännin – Frauen und Heilkunde im frühneuzeitlichen Frankfurt
Jana Schreiber, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Marburg, hat die Sozial- und Kulturgeschichte der Medizin vor allem in der Frühneuzeit als einen ihrer wissenschaftlichen Schwerpunkte. So stand sie offensichtlich voll im Thema, als sie dem Publikum in Alten Schloss Anna Margaretha Wiedemann vorstellte und die Zuhörerinnen in die medizinische Szenerie Frankfurts des 17. Jahrhunderts mitnahm.
Die Heilkunde war damals der sorgenden Hausmutter schon über die Jahrhunderte vertraut – wer sonst sollte sich der Kranken und der häuslichen Pflege annehmen in Zeiten, in denen professionelle Behandlung bei Krankheit und Leiden noch keine Selbstverständlichkeit war.
Inspiriert durch ein heilkundliches Buch aus den 1920er Jahren, das sie auf einem Flohmarkt gefunden hatte, machte sich Jana Schreiber auf Spurensuche. Dabei stieß sie auf den gut dokumentierten Fall der „Wiedemännin“, die in einem Umfeld agierte, in dem es einen bunten Strauß an Handelnden in den Feldern der Inneren Medizin, der Pharmazie und der Wundarznei gab, mit Tätigkeitsfeldern, die sich zum Teil überlappten. Hier gab es Barbiere, Bruch-/Steinschneider, akademische Ärzte, Apotheker, jüdische Ärzte, Hebammen, „Laien“ wie Scharfrichter, und Bader, mit jeweils spezialisierten Kompetenzen. Die städtische Obrigkeit regelte diese Tätigkeiten per Gesetz. Es gab Ausbildungsgänge wie zum Beispiel für die Barbiere und die Baderinnen und Bader. Die Barbierordnung von 1624 regelte die zweijährige Ausbildung, der sich acht Jahre Wanderzeit anschlossen. Doch auch die Ehefrauen, die oft als „Arbeitspaare“ mit ihren Partnern praktizierten, durften diese Tätigkeit ausüben, Witwen übernahmen das Handwerk ihres verstorbenen Mannes und auch Töchter durften einsteigen und waren folglich begehrte Partien auf dem Heiratsmarkt für auswärtige Berufskollegen, die so ein Ausübungsrecht in Frankfurt erwerben konnten.
Deutlich machten die Ausführungen von Jana Schreiber aber auch, dass die Frauen sukzessive aus dem (medizinischen) Arbeitsmarkt der damaligen Zeit herausgedrängt wurden.
In diesem Umfeld arbeitete Anna Margaretha Wiedemann. Sie war zunächst nach eigenen Angaben Dienstmagd bei einem berühmten Medicus, beantragte am 16.6.1670 beim Rat der Stadt Frankfurt die Zulassung als Barbierin und erhielt auch ohne Meisterstück die Zulassung. Die Lage in der Stadt war prekär, es gab eine große Einwanderungswelle, eine schwere Epidemie führte zu Bedarf an Heilkundigen, und – nicht zu vergessen – das 17. Jahrhundert war eine Epoche der Kriege mit hohem Versorgungsbedarf für Verletzte und Kriegsversehrte. Die Wiedemännin erwarb sich einen stabilen Patientenkreis, zu dem auch ärmere Frauen aus Sachsenhausen gehörten. Ihr Schwerpunkt war – ganz anders als die typische eher chirurgische Behandlungsweise der Barbiere, die oft extrem schmerzhaft war – Schmerzen zu lindern oder zu überwinden, Wunden zu heilen, Kräfte zu stärken. Sie hatte viele Befürworter in Frankfurt, Patienten, aber auch Personen im gesellschaftlichen und politischen Umfeld, und Zufriedenheitsabfragen fielen positiv aus. Sie überstand zwei Verbotsprozesse, als 1670 und 1671 zwei ihrer Patienten starben (ein ursächlicher Zusammenhang mit ihrer Behandlung konnte aber nicht hergestellt werden). Im Jahr 1676 gab es wieder Streitigkeiten, die nun in einem Berufsverbot und der Verbannung aus der Stadt endeten.
Die Geschichte der Anna Margaretha Wiedemann ist ein Einstieg in das Thema der Praxis von Heilkundlerinnen in der Konkurrenz mit männlichen Ärzten und Barbieren. Dazu gehören auch Fragen des Umgang mit Krankheiten und Epidemien, des Verhältnis zwischen Behandelnden und Patienten und Einflussfaktoren des sozialen Umfeldes in jener Zeit. Insbesondere spielt hier die Behandlung von Patientinnen eine Rolle. So hätte Jana Schreiber noch viel zu erzählen gehabt – vielleicht kommt sie nochmal wieder – dem Publikum wär’s sehr recht, denn es war ein erfrischender und interessanter Vortrag über einen nicht alltäglichen Themenbereich. J (bt)